Physiknobelpreis 1939: Ernest Orlando Lawrence

Physiknobelpreis 1939: Ernest Orlando Lawrence
Physiknobelpreis 1939: Ernest Orlando Lawrence
 
Der Amerikaner wurde ausgezeichnet für »die Erfindung und Weiterentwicklung des Zyklotrons und für damit erzielte Resultate in Bezug auf künstliche radioaktive Elemente«.
 
 
Ernest Orlando Lawrence, * Canton (USA) 8. 8. 1901, ✝ Palo Alto (USA) 27. 8. 1958; 1928 wurde er der jüngste Professor der Universität von Kalifornien in Berkeley, ab 1936 Direktor des Strahlungslabors der Universität (heute Lawrence-Berkeley-Labor). Arbeitete an der Entwicklung der Atombombe mit, ihm zu Ehren ist ein Transuran Lawrencium genannt worden.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Ernest Lawrence, der norwegischer Abstammung war, las 1929 eine Arbeit des norwegischen Physikers Rolf Wideröe, der ein neues Verfahren zur Beschleunigung geladener Teilchen vorgeschlagen hatte. Dessen Idee, viele Röhren hintereinander und parallel zu schalten und eine Wechselspannung anzulegen, wandelte Lawrence in eine kreisförmige Anlage ab. Die Teilchen konnten so viele Male durch die angelegte Spannung beschleunigt werden. Auf dieser Grundlage entwickelte er das erste Zyklotron. Für diese bahnbrechende Leistung auf dem Gebiet der Teilchenbeschleunigung erhielt er den Nobelpreis zugesprochen.
 
 Neue Elemente durch Zerstörung
 
Dem Physiker Lord Ernest Baron of Nelson Rutherford (Nobelpreis 1908) gelang 1919 das, wovon viele Forscher Jahrhunderte geträumt hatten, die Verwandlung eines Elements. Er beschoss Stickstoffatome mit Alphateilchen (Heliumkerne) und erhielt Sauerstoff. Die weitere Forschung auf diesem Gebiet scheiterte jedoch an der mit etwa sieben bis acht Megaelektronenvolt (MeV) zu niedrigen kinetischen Energie von Alphastrahlen aus natürlich radioaktiven Substanzen. Es ließen sich nur geringe Ausbeuten an umgewandelten Elementen erzielen. Ende der 1920er-Jahre kam die Zeit für den Bau von Beschleunigern zur Atomzertrümmerung. Physiker wie der Deutsche Max Christian Theodor Steenbeck arbeiteten an dieser Idee. Das Prinzip ist bei allen technischen Entwicklungen vorgegeben: Mit möglichst hohen Spannungen werden geladene Teilchen maximal beschleunigt. Die Regelbarkeit der kinetischen Energie und die große Intensität der Teilchenbündel haben wesentlich dazu beigetragen, das Wissen über Kernreaktionen und Kernstrukturen schnell zu vermehren. Diese Forschungen führten schließlich zur Entwicklung der Atombombe.
 
Bereits 1925 hatten die amerikanischen Physiker Gregory Breit und Merle Antony Tuve versucht, Teilchen mit einer erhöhten Spannung zu beschleunigen. Die erste praktische Umsetzung gelang 1928 dem englischen Physiker John Douglas Cockcroft gemeinsam mit seinem irischen Kollegen Ernest Thomas Sinton Walton (beide Nobelpreis 1951). Sie entwickelten den Kaskadengenerator, bei dem die Teilchen in mehreren hintereinander geschalteten Röhren sukzessive beschleunigt werden. Je nach Größe lassen sich mehrere Millionen Volt erzeugen. Mit beschleunigten Protonen gelang ihnen 1932 die Zerlegung des Lithiumkerns in zwei Heliumkerne. Der Physiker Robert Jemison van de Graaff baute 1933 den Band- oder van-de-Graaff-Generator, bei dem die Hochspannung durch eine Art Förderband für elektrische Ladungen aufgebaut wird.
 
 Er sprach kein Deutsch
 
Lawrence verließ 1928 eine langweilige Konferenz in Berkeley und vertiefte sich in der Bibliothek in die im »Archiv für Elektrotechnik« veröffentlichte Doktorarbeit von Wideröe. Der hatte vorgeschlagen, die Spannung mehrmals auf die Teilchen wirken zu lassen. Er legte in seinem Entwurf an parallel liegende Rohre eine Wechselspannung an, um die Teilchen beim Hin- und Herfliegen in der Röhrenschlange mehrmals zu beschleunigen.
 
Dass Lawrence des Deutschen nicht mächtig war, erwies sich wohl als glücklicher Umstand. Denn Wideröe hatte in seinem Beitrag die Idee einer zirkulären Beschleunigung diskutiert, aber als undurchführbar verworfen. Lawrence konnte also nur die Bilder und Formeln des Artikels bewerten. Sie inspirierten ihn zum Bau eines Linearbeschleunigers nach Wideröes Idee. Es gelang ihm auf Anhieb mit einer verhältnismäßig geringen Spannung von 48 000, Volt Ionen auf die Energie von 1,3 (MeV) zu beschleunigen. Dies verbesserte er 1930 durch eine Anordnung zur kreisförmigen Beschleunigung geladener Teilchen mit einem Durchmesser von neun Zentimetern. Die Protonen beschleunigten auf 80 Kiloelektronenvolt. Das zweite Zyklotron hatte 30 cm Durchmesser und lieferte eine Beschleunigungsenergie von 1 MeV. Das Prinzip hatte sich damit bestätigt.
 
 Starke Magnete zwingen die Teilchen auf eine Kreisbahn
 
Ein Zyklotron besteht aus einer Art zylindrischer Dose aus zwei D-förmigen Hälften mit einem Spalt in der Mitte. Die halbkreisförmigen und unter Vakuum stehenden hohlen Elektroden werden »D1« und »D2« oder Duanten genannt. Ein Elektromagnet durchsetzt die »Ds« mit einem senkrechten, homogenen Magnetfeld. Im schmalen Spalt dazwischen sitzt als Ionenquelle ein glühender Wolframdraht, der Elektronen aussendet. Diese Elektronen ionisieren die Gase aus Wasserstoff, Deuterium, Helium oder anderen Elementen, die die Quelle umgeben. Je nach Substanz entstehen Protonen oder andere positiv geladene Teilchen.
 
Lawrence legte an den Spalt eine Wechselspannung an. Die beschleunigten Teilchen treten durch die Elektrodenwand des negativen Duanten. Das Magnetfeld hält sie auf einer Halbkreisbahn. Wenn sie wieder am Spalt ankommen, werden sie durch Spannungswechsel weiter beschleunigt und vollenden in der anderen Hälfte des Zyklotrons ihre Kreisbahn. Durch die anhaltende Beschleunigung bewegen sich die Teilchen auf Spiralbahnen mit zunehmendem Radius. Die höchste Geschwindigkeit erreichen sie am höchstmöglichen Bahnradius. Dann verlassen sie das Zyklotron an der Austrittsstelle und treffen auf ihr Ziel.
 
Die größte Leistung des Konstrukteurs bestand darin, die Ionen durch das Magnetfeld auf eine Kreisbahn zu zwingen. Er hatte entdeckt, dass zwar die Radien der Partikel mit zunehmender Energie anwachsen, aber deren Geschwindigkeit in gleicher Weise ansteigt. Die Umdrehungszeiten sind deshalb bei jeder Energie konstant. Dadurch kann die Frequenz der Wechselspannung konstant bleiben, was den Aufbau des Zyklotrons wesentlich vereinfacht. Die zur Beschleunigung notwendige Potenzialdifferenz wird von einer Hochfrequenzwechselspannung erzeugt.
 
Wichtige Transuranelemente konnten mit dem Zyklotron erzeugt werden. Doch schon nach fünf Jahren wurden seine prinzipiellen Grenzen sichtbar. Zyklotrone mit konstanter Frequenz konnten 100 MeV je Teilchen nicht überschreiten. Diese Schranken wurden erst durch die Weiterentwicklungen des russischen Physikers Wladimir Jossifowitsch Weksler und des amerikanischen Physikochemikers Edwin Mattison McMillan (Nobelpreis für Chemie 1951) überwunden: Die beiden schufen unabhängig voneinander durch die Berücksichtigung der relativistischen Massenzunahme der beschleunigten Teilchen 1944 die Grundlage für die Konstruktion des Synchrotrons.
 
U. Schulte

Universal-Lexikon. 2012.

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